Chronische Schmerzen
ICD-Codes: R52.1 R52.2 F45.41 Was ist der ICD-Code?
Chronische Schmerzen können das Leben schwer machen. Nicht immer lässt sich die Ursache beseitigen. Die Therapie setzt auf mehreren Ebenen an und hat das Ziel, die Schmerzen zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.
Auf einen Blick
- Von chronischen Schmerzen spricht man meist, wenn sie länger als 3 Monate anhalten.
- Sie können unter anderem durch eine Fehlfunktion des Nervensystems oder chronische Entzündungen entstehen.
- Chronische Schmerzen wirken in alle Lebensbereiche hinein und können den Alltag sehr belasten.
- Um chronischen Schmerzen vorzubeugen, sollte man akute Schmerzen von Anfang an wirksam behandeln.
- Die Behandlung chronischer Schmerzen setzt auf mehreren Ebenen an und berücksichtigt neben den körperlichen Faktoren auch die individuelle psychische und soziale Situation (biopsychosoziales Modell).
Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Was sind chronische Schmerzen?
Schmerzen sind einer der häufigsten Gründe, warum Menschen ärztlichen Rat einholen. Man spricht meist von chronischen Schmerzen, wenn:
- sie länger als 3 Monate anhalten oder
- nach einer Verletzung oder anderen Gewebsschädigung Schmerzen bestehen bleiben, obwohl die Ursache abgeheilt ist
Chronische Schmerzen können als Dauerschmerz bestehen oder auch wiederkehrend auftreten. Schmerzen werden individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen und können durch soziale und psychische Faktoren beeinflusst werden.
Chronische Schmerzen wirken in alle Lebensbereiche hinein und beeinträchtigen die Lebensqualität. Menschen mit chronischen Schmerzen entwickeln häufiger Ängste, depressive Verstimmungen oder Schlafstörungen. Das kann sich negativ auf das Schmerzempfinden und die Schmerzverarbeitung auswirken und die Schmerzen weiter verschlimmern.
Am besten wirkt daher eine Therapie, die neben verschiedenen Medikamenten auch die psychische und soziale Situation der betroffenen Person berücksichtigt.
Wichtig zu wissen: Eine wirksame Behandlung akuter Schmerzen kann der Entstehung chronischer Schmerzen vorbeugen. Nach Operationen ist das besonders wichtig.
Wie machen sich chronische Schmerzen bemerkbar?
Schmerzen äußern sich sehr unterschiedlich. Schmerzen an inneren Organen fühlen sich eher dumpf, tiefliegend oder krampfartig an. Oft kann man nicht sagen, wo genau es wehtut. Schmerzen des Bewegungsapparats sind oft stechend, ziehend oder brennend und lassen sich besser lokalisieren. Schmerzen, die durch Schäden an den Nerven entstehen, können einschießen, anfallsartig auftreten und mit Kribbeln, Taubheitsgefühlen oder einer Überempfindlichkeit einhergehen.
Besonders ältere Menschen haben manchmal Schwierigkeiten, ihre Schmerzen zu beschreiben. Oft sprechen sie von „unangenehmen“ Gefühlen oder Beschwerden. Menschen mit Erkrankungen wie Demenz können Schmerzen oft gar nicht in Worte fassen. Anzeichen für Schmerzen sind dann zum Beispiel:
- ein schmerzhaft verzogenes Gesicht
- Jammern und Stöhnen
- Schutzhaltung der schmerzhaften Region
- angestrengte Atmung
- Verwirrtheit
Welche Ursachen haben chronische Schmerzen?
Chronische Schmerzen entstehen unter anderem durch eine Fehlfunktion des Nervensystems, eine gestörte Schmerzverarbeitung oder chronische Entzündungen.
Erkrankungen, die häufig mit chronischen Schmerzen einhergehen, sind zum Beispiel:
Unterschiedliche Ursachen können grundsätzlich verschiedene Arten von Schmerz erzeugen:
- Schmerz durch Reizung von Schmerzrezeptoren: Nervenenden, die der Schmerzwahrnehmung dienen, vermitteln das Schmerzsignal. Solche Schmerzrezeptoren werden beispielsweise bei Verletzungen, Verbrennungen, Nierensteinen oder einem Herzinfarkt aktiviert.
- entzündlicher Schmerz: Er ist Folge einer Entzündung im Gewebe, da Entzündungsbotenstoffe ebenfalls die Schmerzrezeptoren reizen. Auslöser sind Infektionen oder Autoimmunerkrankungen, bei denen Antikörper gegen körpereigene Zellen zu einer Entzündung führen.
- neuropathischer Schmerz: Er resultiert aus einer direkten Schädigung der Nerven. Auslöser sind Verletzungen von Nerven, Schädigungen der Nervenwurzeln, Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Zellgifte wie Alkohol, oder viral bedingte Erkrankungen wie Gürtelrose.
- zentraler Schmerz: Er entsteht durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Gehirn oder Rückenmark. Das Gehirn erzeugt dann eine Schmerzwahrnehmung, die sich von der ursprünglichen körperlichen Schmerzursache losgelöst hat. Eine Schmerzwahrnehmung kann auch entstehen, ohne dass ein körperlicher Schaden vorliegt. Zentrale Schmerzen treten beispielsweise auf bei Fibromyalgie, Reizdarm oder chronischen Schmerzen im Becken.
Schmerzsignale können sich verselbstständigen. Schmerzen bleiben dann bestehen, obwohl der eigentliche Auslöser gar nicht mehr da ist. Außerdem können langanhaltende Schmerzen Nerven empfindlicher machen, sodass sie Schmerzreize früher und schneller weiterleiten. Durch neue Nervenverknüpfungen im Rückenmark und Gehirn kann dann ein „Schmerzgedächtnis“ entstehen. Darüber hinaus kann andauernder Stress dazu führen, dass man Schmerzen eher oder stärker wahrnimmt.
Welche Faktoren begünstigen chronische Schmerzen?
Es gibt einige Faktoren, die das Risiko für chronische Schmerzen erhöhen. Dazu zählen:
- erbliche Veranlagung
- eine vorausgegangene akute Schmerztherapie, die nicht ausreichend geholfen hat
- psychische Erkrankungen wie eine Depression oder eine posttraumatische Belastungsstörung
- nachteilige soziale Umstände
- höheres Alter
- Langzeitgebrauch von Schmerzmitteln, vor allem von Opioiden
- Missbrauch von Alkohol oder Drogen
Wie häufig sind chronische Schmerzen?
Ungefähr 2 von 10 Menschen berichten beim Hausarzt über mäßige bis starke Schmerzen, die länger als 3 Monate anhalten.
Drei Viertel der Patienten mit chronischen Schmerzen sind älter als 50 Jahre. Am häufigsten sind Rücken, Knie oder der Kopf betroffen. Arthrose und Bandscheibenvorfälle zählen zu den häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen.
Etwa 5 von 100 Kindern haben chronische Schmerzen.
Welche Folgen können chronische Schmerzen haben?
Nur in wenigen Fällen gelingt es, dass chronische Schmerzen durch eine Behandlung vollständig verschwinden. Die Therapie zielt vor allem darauf ab, die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen zu verbessern.
Einnahme von frei verkäuflichen Schmerzmitteln
Die begrenzte Wirksamkeit von Schmerzmitteln kann bei chronischem Schmerz dazu verleiten, die Dosierung immer weiter zu steigern oder verschiedene Schmerzmittel gleichzeitig einzunehmen. Dann besteht eine erhöhte Gefahr für Nebenwirkungen. Paracetamol kann beispielsweise zu schweren Leberschäden führen. Über längere Zeiträume eingenommen, können durch Paracetamol zudem Nierenschäden auftreten.
Einnahme von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln
Bei einer regelmäßigen Einnahme von starken Schmerzmitteln wie Opioiden kann es zu einer Medikamentenabhängigkeit kommen. Bei einer Überdosierung mit Opioiden kann ein Atemstillstand eintreten. Manchmal kommt es auch zu überempfindlichen Schmerzzuständen infolge der Opioid-Einnahme.
Wie kann man chronischen Schmerzen vorbeugen?
Die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung chronischer Schmerzen ist die wirksame Behandlung akuter Schmerzen. Dabei ist es wichtig, offen und vertrauensvoll über Schmerzen sprechen zu können.
Wie kann man chronische Schmerzen diagnostizieren?
Grundsätzlich ist es zunächst wichtig, die genaue Ursache für Schmerzen zu finden. Dazu dienen bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT). Auch bestimmte Blutwerte geben Hinweise auf die Ursache.
Manchmal werden Nervenblockaden oder Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit zur Diagnose eingesetzt.
Allerdings lässt sich selbst bei starken Schmerzen nicht immer ein Auslöser finden.
Für die Behandlung ist es wesentlich, die Schmerzen genau lokalisieren und einschätzen zu können. Dafür wird die Ärztin oder der Arzt gezielte Fragen stellen, zum Beispiel:
- Wann und wo sind die Schmerzen aufgetreten?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an?
- Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
- Wie wirken sich die Schmerzen auf Alltagsaktivitäten aus?
In einer körperlichen Untersuchung können Ärztinnen und Ärzte mögliche Einschränkungen der Körperfunktionen feststellen. Mit Fragen nach Stimmung, Schlafqualität, familiären oder beruflichen Belastungen informieren sie sich über Begleitumstände, die mit dem Schmerzempfinden in einer Wechselwirkung stehen können.
Wie werden chronische Schmerzen behandelt?
Wann immer möglich, sollten chronische Schmerzen multimodal behandelt werden – also nicht nur auf ärztlicher Ebene, sondern auch im Bereich der Psycho-, Physio- und Ergotherapie. Ideal ist es, wenn die Behandlung bei Expertinnen und Experten für Schmerztherapie erfolgt. Für chronisch erkrankte Menschen ist außerdem eine sozialmedizinische Beratung hilfreich.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
- körperliche Aktivität und Bewegungsübungen
- Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie
- Verhaltenstherapie, Training zur Stressbewältigung
- unterstützende Maßnahmen wie Akupunktur, manuelle Therapie oder periphere Nervenstimulation
- Ernährungsberatung und Gewichtsabnahme, wenn Übergewicht den Schmerz verursacht oder begünstigt
- Hilfsmittel wie zum Beispiel Gehhilfen, Schienen oder orthopädische Schuhe bei schweren orthopädischen Beeinträchtigungen
Unabhängig von verordneten Maßnahmen können ergänzend auch Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelrelaxation oder Wärme- und Kälteanwendungen selbständig zu Hause durchgeführt werden.
Medikamentöse Therapien
- Bei lokalen Schmerzen können Salben und Gele mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln angewendet werden.
- Bei Gelenkschmerzen oder einem Bandscheibenvorfall können Schmerzmittel oder entzündungshemmendes Kortison auch mithilfe einer Spritze örtlich angewendet werden.
- Antidepressiva können die Schmerzempfindung beeinflussen, auch wenn keine Depression vorliegt. Je nach Medikament kann es sein, dass sich eine Schmerzlinderung erst nach einigen Wochen bemerkbar macht.
- Epilepsie-Medikamente (Antiepileptika) werden bei Nervenschmerzen angewendet, die bei einer Schädigung der Nerven entstehen.
- Muskelentspannende Medikamente kommen zum Einsatz, wenn Schmerzen im Zusammenhang mit Muskelverkrampfungen auftreten.
- Entzündungshemmende Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Paracetamol sollten nur bei akutem Aufflackern der Schmerzsymptome eingenommen werden. Es kann sinnvoll sein, verschiedene Schmerzmittel auszuprobieren, da sie individuell unterschiedlich gut wirken.
- In den meisten Situationen sollte man starke Schmerzmittel wie Opioide nur vorübergehend einnehmen.
Wichtig zu wissen: Eine Langzeittherapie mit Opioiden ist nur in Betracht zu ziehen, wenn sich organische Schmerzursachen nicht beseitigen lassen und alle bisherigen Behandlungen nicht erfolgreich waren. Insbesondere bei Schmerzen des Bewegungsapparats wirken Opioide langfristig nicht besser als andere Schmerzmittel.
Welche Therapiemaßnahmen ergriffen werden, entscheidet man am besten immer gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt. Für eine zufriedenstellende Behandlung chronischer Schmerzen sind Geduld und ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis wesentlich.
Wie geht man mit chronischen Schmerzen im Alltag um?
Chronische Schmerzen erfordern eine langfristige Therapie. Oft werden sie zeitweise besser und flammen hin und wieder auf. Kann keine eindeutige Ursache für die Schmerzen gefunden werden, ist das für Betroffene oft frustrierend. Es kann hilfreich sein, besser zu verstehen, was bei chronischen Schmerzen im Körper passiert. Auch das berufliche und private Umfeld kann leichter Verständnis aufbringen, wenn es über die Mechanismen chronischer Schmerzen gut informiert ist.
Für Menschen mit chronischen Schmerzen ist es wichtig, zu erfahren, wie sie ihre Schmerzen selbst beeinflussen können. Wege zu einer guten Lebensqualität trotz Schmerz können ebenfalls hilfreich sein. Dabei können sowohl ärztliches und therapeutisches Fachpersonal unterstützen als auch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Auf der Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) können Sie über eine Datenbank geeignete Selbsthilfe-Angebote finden.
Wo finde ich weitere Informationen zu chronischen Schmerzen?
Weiterführende Informationen zu chronischen Schmerzen finden Sie auf der Website der Deutschen Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung e.V. und der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Gebündelte Informationen zu verschiedenen Schmerz-Erkrankungen und Antworten auf häufige Fragen bietet die Website der Deutschen Hirnstiftung e.V.
- Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM). Chronischer nicht tumorbedingter Schmerz. S1-Leitlinie. AWMF- Registernummer 053 – 036. 2023.
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Langzeitanwendungen von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). S3-Leitlinie. AWMF-Registernummer 145-003. 2. Aktualisierung. 2020.
- Dydyk AM, Conermann T. Chronic Pain. [Updated 2021 Nov 11]. In: StatPearls (Internet). Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. 2022 Jan-. Aufgerufen am 14.01.2025.
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Chronische Schmerzen verstehen. gesundheitsinformation.de. Aufgerufen am 14.01.2025.
Geprüft durch die Deutsche Hirnstiftung e.V.
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