Gesundheitsversorgung Stufenweise Wiedereingliederung: Schritt für Schritt zurück in den Beruf

Die stufenweise Wiedereingliederung – auch „Hamburger Modell“ genannt – ist eine Maßnahme für Beschäftige, um nach einer längeren Krankheit oder einem Unfall wieder in den Beruf zurückzukehren. Die Arbeitszeit wird dabei Schritt für Schritt gesteigert.

Auf einen Blick

  • Die stufenweise Wiedereingliederung ermöglicht Beschäftigten nach einer Krankheit oder einem Unfall eine schrittweise Rückkehr in den Beruf.
  • Voraussetzung ist, dass man zumindest teilweise belastbar ist und voraussichtlich wieder vollständig in den Beruf zurückkehren kann.
  • Die Wiedereingliederung erfolgt in mehreren Stufen. Diese werden von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt in einem sogenannten Stufenplan in Abstimmung mit der oder dem Beschäftigten sowie dem Arbeitgeber festgelegt. 
  • Wird die Wiedereingliederung länger als 7 Kalendertage unterbrochen, gilt sie als abgebrochen. 
  • Während der Wiedereingliederung ist man weiterhin krankgeschrieben. Man erhält daher finanzielle Leistungen vom zuständigen Leistungsträger, beispielsweise Krankengeld von der Krankenkasse.
Eine Person setzt mit der Hand mehrere Würfel zu einer Treppe zusammen.

Was ist eine stufenweise Wiedereingliederung?

Die stufenweise Wiedereingliederung soll Menschen dabei unterstützen, nach einer längeren Krankheit oder einem Unfall wieder in den Beruf zurückzukehren. Sie wird oft auch als „Hamburger Modell“ bezeichnet. Bei einer stufenweisen Wiedereingliederung wird die Arbeitszeit Schritt für Schritt gesteigert, sodass sich die Betroffenen nach und nach wieder an ihre Aufgaben und den Arbeitsalltag gewöhnen können.

Der Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung ist rechtlich im Sozialgesetzbuch  verankert. Wenn Beschäftigte eine solche Maßnahme wünschen, sie medizinisch sinnvoll ist und Aussicht auf Erfolg hat, dürfen Arbeitgebende sie lediglich in Ausnahmefällen ablehnen. Schwerbehinderte Mitarbeitende können die Wiedereingliederung rechtlich einfordern.

Eine stufenweise Wiedereingliederung kann als einzelne Maßnahme durchgeführt werden oder Teil eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sein. Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient dazu, die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu fördern und zu erhalten.

Welche Voraussetzungen müssen für eine stufenweise Wiedereingliederung erfüllt sein?

Für eine stufenweise Wiedereingliederung gibt es einige Voraussetzungen. Zunächst muss man weiterhin krankgeschrieben sein, denn auch während der Wiedereingliederung gilt man offiziell als arbeitsunfähig. Gleichzeitig sollte man bereits teilweise belastbar sein, um etwa bestimmte Arbeitsaufgaben zu übernehmen und wenige Stunden am Tag zu arbeiten. Als Mindeststundenzahl gelten 2 Stunden täglich.

Die behandelnde Arztpraxis muss bestätigen, dass eine teilweise Wiederaufnahme der Arbeit möglich ist. Die bisherigen Aufgaben müssen vorübergehend an die Leistungsfähigkeit angepasst werden können. Voraussetzung ist außerdem, dass die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt davon ausgeht, dass man auf längere Sicht wieder vollständig in den Job zurückkehren kann. 

Alle Beteiligten, das heißt Arbeitgebende, Beschäftigte und Rehabilitationsträger, müssen der Wiedereingliederung schriftlich zustimmen. Die Teilnahme an einer Wiedereingliederung ist für Beschäftigte grundsätzlich freiwillig. 

Während einer stufenweisen Wiedereingliederung gelten Beschäftigte weiterhin als arbeitsunfähig.

Ab einer Erkrankungsdauer von 6 Wochen muss die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt prüfen, ob eine stufenweise Wiedereingliederung infrage kommt. Theoretisch ist eine Wiedereingliederung auch nach einer kürzeren Erkrankungsdauer möglich. In den meisten Fällen beginnt die Maßnahme aber nach einer Krankschreibung von mindestens 6 Wochen.

Was ist ein Stufenplan?

Der Stufenplan ist das zentrale Dokument bei einer stufenweisen Wiedereingliederung. Er wird von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt unter Einbindung der betroffenen Person und des Arbeitgebers erstellt und regelmäßig überprüft. Im Plan wird festgehalten, wie die Rückkehr an den Arbeitsplatz Schritt für Schritt ablaufen soll.

Dazu gehören:

  • der Start- und Endzeitpunkt der Maßnahme
  • die schrittweise Steigerung der täglichen Arbeitszeit
  • die Aufgaben und Arbeitsbereiche, die in jeder Phase übernommen werden sollen
  • die Aufgaben und Tätigkeiten, die zu vermeiden sind 
  • Rücktrittsrechte von der Maßnahme für beide Seiten
  • gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen, die die Rückkehr erleichtern können.

Ein typischer Verlauf könnte beispielsweise so aussehen: Man arbeitet zunächst zwei Stunden täglich, später vier Stunden und im Verlauf dann sechs Stunden pro Tag. Die Stundenzahl und der Zeitpunkt des Wechsels in die nächste Stufe richten sich nach der individuellen Belastbarkeit. Der Stufenplan ist dabei flexibel, kann also jederzeit angepasst werden. 

Darüber hinaus müssen auch Arbeitsinhalte und Arbeitszeitsysteme berücksichtigt werden, insbesondere wenn bestimmte Belastungen wie etwa ein großer Verantwortungsbereich oder Schichtarbeit zur Erkrankung beigetragen haben. Man kann also zum Beispiel festlegen, dass zunächst keine Nachtarbeit erfolgt oder dass bestimmte Aufgaben vorerst von anderen Teammitgliedern übernommen werden. In solchen Fällen kann auch das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) unterstützen.

Wichtig zu wissen: Der Stufenplan ist individuell. Auch Homeoffice, tageweise Rückkehr, längeres Verweilen in einer Phase oder das Überspringen einzelner Phasen sind grundsätzlich möglich – immer in Abstimmung mit der Ärztin oder dem Arzt und dem Betrieb.

Wie läuft eine stufenweise Wiedereingliederung ab?

Eine stufenweise Wiedereingliederung kann auf verschiedene Weise in die Wege geleitet werden, beispielsweise durch:

  • die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, etwa die Hausärztin oder den Hausarzt 
  • ärztliches Personal in einer Reha-Klinik, wenn die Wiedereingliederung im Anschluss an eine Reha stattfinden soll
  • Arbeitgebende
  • zuständige Leistungsträger wie die Krankenkasse, Renten- oder Unfallversicherung
  • die betroffene Person selbst

Nachdem ein Stufenplan von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt unter Einbindung der betroffenen Person und des Arbeitgebers erstellt und an den zuständigen Leistungsträger übermittelt wurde, kann die sogenannte Beginnmitteilung erfolgen. Diese Mitteilung erhalten Beschäftigte vom zuständigen Leistungsträger.

In der Beginnmitteilung steht unter anderem, wann die stufenweise Wiedereingliederung beginnt und welche Phasen vorgesehen sind. Sie wird von der Ärztin oder dem Arzt sowie dem Arbeitgeber unterschrieben und an den zuständigen Leistungsträger zurückgeschickt. Die Beginnmitteilung gilt als offizieller Antrag. Es ist also nicht notwendig, zusätzlich einen eigenen Antrag zu stellen.

Nach Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung erhalten Beschäftigte monatliche Folgebescheinigungen vom Leistungsträger, die sie mit den entsprechenden Unterschriften von Arbeitgeber und Ärztin oder Arzt beim Leistungsträger einreichen müssen. Dies ist notwendig, damit weiterhin entsprechende Leistungen ausgezahlt werden, beispielsweise Krankengeld. Zum Abschluss der Maßnahme schickt der Leistungsträger eine Abschlussbescheinigung.

Wenn Hilfe bei der Antragstellung benötigt wird, können der Sozialdienst einer Reha-Einrichtung, Sozialverbände oder die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) Unterstützung bieten.

Gut zu wissen: Für eine gelingende Wiedereingliederung ist auch die Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen entscheidend. Das Team sollte rechtzeitig über die Wiedereingliederung und eventuelle Aufgabenumverteilungen informiert werden. Durch Empathie, Akzeptanz und solidarisches Verhalten können Kolleginnen und Kollegen den Wiedereinstieg maßgeblich unterstützen.

Kann man eine stufenweise Wiedereingliederung unterbrechen?

Eine stufenweise Wiedereingliederung kann bis zu 7 Kalendertage unterbrochen werden. Dies kann zum Beispiel nötig sein, wenn während der Wiedereingliederung eine erneute gesundheitliche Verschlechterung eintritt. Sollte die Unterbrechung länger dauern, gilt die Wiedereingliederung als abgebrochen. Die Betroffenen bleiben aber arbeitsunfähig gemeldet und haben weiterhin Anspruch auf Lohnersatzleistungen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Thema Urlaub und Wiedereingliederung: Ein Urlaub ist während der stufenweisen Wiedereingliederung nicht möglich, da während der Krankschreibung kein Anspruch auf Urlaub besteht. Man kann also erst wieder Urlaubstage nehmen, wenn die Wiedereingliederung abgeschlossen ist.

Eine stufenweise Wiedereingliederung kann bis zu 7 Kalendertage unterbrochen werden. Urlaub ist während der Wiedereingliederung nicht möglich.

Was passiert, wenn man die Wiedereingliederung abbricht?

Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Wiedereingliederung abgebrochen wird, zum Beispiel:

  • Der eigene gesundheitliche Zustand hat sich verschlechtert.
  • Es gibt im Betrieb keine sinnvolle Möglichkeit mehr, mit reduzierter Arbeitszeit und Leistung eingesetzt zu werden. 
  • Die eigene Gesundheit hat sich so verbessert, dass man die Wiedereingliederung vorzeitig beenden kann.

Sollte eine stufenweise Wiedereingliederung scheitern, kann zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Wiedereingliederung durchgeführt werden. Womöglich muss dann der Ablauf der Wiedereingliederung angepasst werden, um die Rückkehr noch besser zu unterstützen.

Wie ist man während einer stufenweisen Wiedereingliederung finanziell abgesichert?

In den ersten sechs Wochen einer Erkrankung wird der Lohn vom Arbeitgeber fortgezahlt. Anschließend hat man Anspruch auf Entgeltersatzleistungen. Dieser Anspruch besteht auch während einer stufenweisen Wiedereingliederung, da man während dieser weiterhin krankgeschrieben ist. Je nach persönlicher Situation sind dabei unterschiedliche Leistungsträger zuständig:

  • Krankenkasse: Die Krankenkasse zahlt in der Regel Krankengeld. Dieses beträgt bei gesetzlich Versicherten etwa 70 Prozent des Bruttoeinkommens, maximal jedoch 90 Prozent des Nettoeinkommens. Krankengeld wird für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt. Bei Privatversicherten werden die Höhe und die Dauer der Krankengeldzahlungen individuell vertraglich festgelegt.
  • Rentenversicherung: Wenn die stufenweise Wiedereingliederung nach einer Reha-Maßnahme erfolgt, zahlt die Rentenversicherung in der Regel Übergangsgeld. Dieses beträgt typischerweise 68 Prozent des Nettoeinkommens beziehungsweise 75 Prozent, wenn man Kinder hat. 
  • Unfallversicherung: Bei einer anerkannten Berufskrankheit oder nach einem Arbeitsunfall zahlt die Unfallversicherung in der Regel Verletztengeld. Dieses beträgt 80 Prozent des Bruttolohns, darf aber nicht höher sein als das regelmäßige Nettoarbeitsentgelt.

Wichtig zu wissen: Im Unterschied zum Krankengeld ist der Anspruch auf Verletztengeld grundsätzlich unbefristet. Er ist nur dann auf 78 Wochen begrenzt, wenn man voraussichtlich nicht mehr arbeitsfähig wird und keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat.

Zusätzlich können Arbeitgebende freiwillig einen Teil des Lohns während der Wiedereingliederung zahlen – einen Anspruch darauf hat man jedoch nicht. Der freiwillige Lohnanteil wird mit der jeweiligen Entgeltersatzleistung verrechnet. Im Stufenplan werden die finanziellen Regelungen klar und transparent festgehalten.

Wo gibt es weitere Informationen?

Umfassende Informationen zur stufenweisen Wiedereingliederung finden Sie auf den folgenden Seiten:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) bietet eine umfangreiche Arbeitshilfe zur stufenweisen Wiedereingliederung, verschiedene Praxisbeispiele und Links zu wichtigen Formularen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt ein Faktenblatt zur stufenweisen Wiedereingliederung in deutscher und englischer Sprache bereit.

Geprüft durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen

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