Kinderlähmung (Polio)
ICD-Codes: A80 B91 G14 Was ist der ICD-Code?
Kinderlähmung ist eine sehr ansteckende Viruserkrankung, die zu bleibenden Lähmungen führen kann. Früher kam die Erkrankung bei Kindern häufig vor. Mit Impfungen kann man der Kinderlähmung vorbeugen. Inzwischen gibt es Polioviren nur noch in wenigen Ländern. Ohne Immunschutz können auch Erwachsene erkranken.
Auf einen Blick
- Kinderlähmung – auch bekannt als Polio – ist eine sehr ansteckende virale Infektionskrankheit.
- Sie kommt nur noch in wenigen Ländern vor, besonders wenn schlechte hygienische Bedingungen herrschen.
- Meistens zeigen sich nur leichte oder keine Krankheitszeichen.
- Selten kann die Infektion zu bleibenden Lähmungen führen. Ist die Atemmuskulatur betroffen, kann man daran sterben.
- Besteht kein Immunschutz, zum Beispiel durch eine Impfung, können auch Erwachsene Polio bekommen.
- Eine Therapie gibt es nicht. Mit einer Polio-Impfung lässt sich aber vorbeugen. In Deutschland kommen dafür nur noch Impfstoffe mit inaktivierten Polioviren zum Einsatz.
Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.
Was ist Kinderlähmung?
Kinderlähmung ist eine sehr ansteckende Viruserkrankung, die vor der Einführung einer Impfung zu vielen Erkrankungen und Todesfällen bei Kindern geführt hat. Abgeleitet von dem lateinischen Begriff Poliomyelitis nennt man sie auch kurz Polio.
Durch weltweite Impfkampagnen ist das Poliovirus fast ausgerottet. Es kommt nur noch in wenigen Ländern vor, kann aber von dort nach Deutschland eingeschleppt werden. Besonders bei schlechten hygienischen Verhältnissen besteht ein Infektionsrisiko. Solange das Virus nicht komplett verschwunden ist, impft man Kinder frühzeitig dagegen.
Kommt es zu einer Infektion mit Polioviren, treten in den meisten Fällen keine oder nur leichte Symptome auf. Bei etwa 1 von 200 infizierten Menschen zeigen sich jedoch Lähmungen, die sich nicht vollständig zurückbilden. Ist die Atemmuskulatur betroffen, kommt es zu einer lebensbedrohlichen Atemlähmung. Besteht kein Immunschutz, können auch Erwachsene an Kinderlähmung erkranken.
Welche Symptome treten bei Kinderlähmung auf?
Bei mehr als 95 Prozent der Menschen mit einer Poliovirus-Infektion treten gar keine Krankheitszeichen auf.
Wenn es zu Symptomen kommt, unterscheidet man drei Formen, die nacheinander auftreten:
- Abortive Poliomyelitis: Das ist eine leichte Form ohne eine Beteiligung des Nervensystems.
- Nicht paralytische Poliomyelitis: Das Nervensystem ist beteiligt, es kommt aber nicht zu Lähmungen.
- Paralytische Poliomyelitis: Das Nervensystem ist beteiligt und es treten Lähmungen auf.
Polio ohne Beteiligung des Nervensystems
Diese leichte Form tritt bei 4 bis 8 Prozent der erkrankten Menschen auf und äußert sich mit allgemeinen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Fieber, Halsschmerzen, Muskel- und Kopfschmerzen.
Polio mit Beteiligung des Nervensystems und ohne Lähmungen
Sie tritt bei 2 bis 4 Prozent der infizierten Personen auf und macht sich etwa 3 bis 7 Tage nach Beginn der leichten Form bemerkbar. Symptome sind Fieber, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und Muskelkrämpfe.
Polio mit Beteiligung des Nervensystems und mit Lähmungen
Sie tritt bei 0,1 bis 1 Prozent der Menschen mit Kinderlähmung auf und zeigt sich etwa 2 bis 3 Tage nach der nicht paralytischen Form. Es kommt zu einem erneuten Fieberanstieg mit starken Rücken-, Nacken- und Muskelschmerzen. Außerdem treten Lähmungen auf. Häufig sind verschiedene Beinmuskeln gelähmt – aber auch Arm-, Bauch-, Augen- und Atemmuskeln können betroffen sein.
Was ist die Ursache der Kinderlähmung?
Kinderlähmung ist eine Infektionskrankheit, die durch Polioviren ausgelöst wird. Polioviren gehören zu den Enteroviren und kommen im Magen-Darm-Trakt ausschließlich von Menschen vor.
Es gibt verschiedene Arten von Polioviren, die eine Erkrankung auslösen können: Die ursprüngliche Form sind die Wild-Polioviren. Sie kommen aktuell nur noch in Afghanistan und Pakistan vor. In einigen Ländern gibt es eine Schluckimpfung gegen Polio. Dabei wird mit abgeschwächten, lebenden Viren geimpft. Diese sogenannten Impfviren verursachen in der Regel keine Erkrankung, werden aber über mehrere Wochen mit dem Stuhl ausgeschieden. Sie können sich im Laufe der Zeit genetisch verändern und dann genauso wie die Wild-Polioviren eine Erkrankung auslösen. Man spricht daher auch von Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren.
Eine Ansteckung erfolgt über Stuhlverunreinigungen, die beispielsweise über die Hände in den Mund gelangen. Unter schlechten hygienischen Bedingungen kann man sich auch über Stuhlverunreinigungen im Trink- oder Badewasser anstecken. Zu Beginn der Erkrankung vermehren sich die Viren im Rachen, sodass eine Übertragung über die Luft durch kleine Tröpfchen möglich ist. Auch wenn die Infektion mit Polioviren bei einem Menschen keine Krankheitszeichen auslöst, kann diese Person andere Menschen anstecken.
Krankheitszeichen können 3 bis 35 Tage nach der Ansteckung mit den Polioviren auftreten. Die Ausscheidung der Viren mit dem Stuhl kann nach einer Infektion bis zu 6 Wochen lang anhalten, in Einzelfällen auch noch länger. Die Ansteckungsgefahr ist besonders hoch, wenn Sanitäranlagen unsauber sind.
Wie häufig ist die Kinderlähmung?
Früher waren Polioviren weltweit verbreitet. Da Kinder schon sehr früh mit den Viren in Kontakt kamen, zählte Polio zu den Kinderkrankheiten. Durch Impfungen konnte das Virus fast ausgerottet werden. Inzwischen kommen die ursprünglichen Wild-Polioviren nur noch in Pakistan und Afghanistan vor. In Deutschland gab es zuletzt 1990 eine Ansteckung mit dieser Art von Polioviren.
Für die Impfungen gegen Polio benutzte man zunächst abgeschwächte, lebende Viren, die einen guten Immunschutz erzeugten. Der Impfstoff wurde direkt in den Mund oder auf ein Stück Zucker getropft. Deshalb hieß diese Impfung auch Schluckimpfung. Der Nachteil dieser Impfviren war, dass sie in seltenen Fällen selbst zu einer Polio-Erkrankung führten, der sogenannten Impf-Polio. In Deutschland gab es bis 1998 etwa 1 bis 2 solcher Impferkrankungen pro Jahr.
Inzwischen gibt es einen Impfstoff mit inaktivierten Viren, der ebenfalls eine gute Schutzwirkung erzeugt und keine Impf-Polio nach sich ziehen kann. In Deutschland wird seit 1998 nur noch dieser Impfstoff verwendet. In einigen anderen Ländern verabreicht man jedoch immer noch den abgeschwächten Lebendimpfstoff. Diese Impfviren werden über mehrere Wochen mit dem Stuhl ausgeschieden. So können sie sich verbreiten und im Laufe der Zeit genetisch verändern. Dadurch können Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren entstehen und ähnlich wie die Wild-Polioviren zu einer Erkrankung führen.
Es sind außerdem nicht alle Menschen vollständig gegen Polio geimpft. Dadurch sind auch heutzutage noch größere Krankheits-Ausbrüche in Ländern möglich, in denen Polioviren verbreitet sind.
In Deutschland gilt Polio als ausgerottet. Polioviren können jedoch aus anderen Ländern eingeschleppt werden. Ende 2024 wurden in mehreren deutschen Städten Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren im Abwasser gefunden. Eine vollständige Impfung schützt sicher vor einer Erkrankung und bleibt daher wichtig, bis es weltweit keine Polio-Erkrankungen und keine gesunden Ausscheider von Polioviren mehr gibt.
Ob eine Impfung für Sie oder Ihr Kind empfohlen ist, können Sie mit dem Polio-Impfcheck herausfinden.
Antworten auf häufige Fragen zum Nachweis von Polioviren im Abwasser gibt das Robert Koch-Institut (RKI).
Wie funktioniert eine Impfung?
Im folgenden Video erfahren Sie, wie eine Impfung funktioniert.
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Wie verläuft eine Kinderlähmung?
Die leichte und die nicht paralytische Form der Kinderlähmung, bei der keine Lähmungen auftreten, können ohne bleibende Schäden ausheilen.
Die Lähmungen, die bei der paralytischen Form auftreten, bilden sich typischerweise nur teilweise, also nicht vollständig, zurück. Ist der Hirnstamm mit seinen lebenswichtigen Schaltzentren betroffen oder die Atemmuskulatur gelähmt, kann man daran sterben.
Auch Jahre bis Jahrzehnte nach der Erkrankung kann es erneut zu einem Muskelschwund mit verstärkten Lähmungen kommen. Mann spricht dann von einem sogenannten Post-Polio-Syndrom. Wie genau es dazu kommt, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt.
Man vermutet, dass die ursprünglich nicht von der Erkrankung betroffenen Nerven die Funktion der geschädigten Nerven übernehmen und dadurch überlastet werden. Die anhaltende Überlastung führt dann zur Schädigung und einem Funktionsverlust der ursprünglich gesunden Nerven. Dadurch treten Lähmungen dann auch an vorher nicht betroffenen Bereichen des Körpers auf.
Wie kann man der Kinderlähmung vorbeugen?
Es gibt keine spezielle Behandlung gegen Polioviren, die Erreger der Kinderlähmung. Daher ist die vorbeugende Polio-Impfung besonders wichtig.
Kinderlähmung kommt inzwischen kaum noch auf der Welt vor. Dennoch können Reisende oder Migrantinnen und Migranten Polioviren aus den Verbreitungsgebieten in andere Länder einschleppen. Die Weltgesundheitsorganisation hat das Ziel, die Erkrankung komplett auszurotten. Eine Impfung ist solange notwendig, bis auf der ganzen Welt keine Polioviren mehr vorkommen.
In Deutschland verwendet man nur noch den Impfstoff mit inaktivierten Polioviren, der keine Impf-Polio hervorrufen kann. Üblicherweise ist er in dem Fünffach- oder Sechsfach-Kombinationsimpfstoff enthalten, der bereits für Säuglinge empfohlen wird. Die Grundimmunisierung ist in der Regel im 2., 4. und 11. Lebensmonat empfohlen und erfolgt mit einer Spritze in den Muskel. Für einen vollständigen Schutz ist eine Auffrischungsimpfung im Alter von 9 bis 16 Jahren empfohlen. Personen, die ihre Grundimmunisierung im Erwachsenenalter erhalten haben, sollten den Impfschutz nach 10 Jahren auffrischen lassen.
Nach dieser Auffrischungsimpfung ist normalerweise keine weitere Polio-Impfung notwendig. Bei Reisen in Länder mit einem Ansteckungsrisiko ist mitunter eine zusätzliche Auffrischungsimpfung empfohlen.
Ob eine Impfung für Sie oder Ihr Kind empfohlen ist, können Sie mit dem Polio-Impfcheck herausfinden.
Nähere Informationen zu reisebezogenen Impf-Empfehlungen finden Sie auf den Seiten des Auswärtigen Amtes.
Wie stellt man eine Kinderlähmung fest?
Typisch für die Lähmungen im Rahmen einer Polio-Erkrankung ist, dass die Gliedmaßen unterschiedlich stark betroffen sind. Das heißt, die Lähmungen sind nicht auf beiden Körperseiten gleich ausgeprägt.
Um eine eindeutige Diagnose zu stellen, ist es jedoch notwendig, den Erreger nachzuweisen. Der Nachweis von Polioviren gelingt mit der Untersuchung einer Stuhlprobe im Labor. Manchmal machen Ärztinnen und Ärzte auch einen Rachenabstrich oder entnehmen Nervenwasser, eine Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark umgibt.
Wie wird Kinderlähmung behandelt?
Es gibt keine Medikamente, die gegen eine Infektion mit Polioviren wirksam sind. Die Behandlung der Kinderlähmung beschränkt sich deshalb auf unterstützende Maßnahmen, welche die Symptome lindern. In der akuten Erkrankungsphase sind das zum Beispiel fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente. Ist die Atemmuskulatur von Lähmungen betroffen, kann es sein, dass man die Atmung maschinell unterstützen muss.
Menschen mit bleibenden Lähmungen erhalten oft weitere, meist langwierige Behandlungen durch Orthopädinnen und Orthopäden sowie Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Ein Ziel der verschiedenen Behandlungen ist zum Beispiel, dass Betroffene trotz der Lähmungen selbstständig laufen können. Die Maßnahmen sollen ein Ungleichgewicht der Muskeln und Gelenkversteifungen vermeiden.
Liegt ein Post-Polio-Syndrom vor – eine recht häufige Folgeerkrankung der Infektion mit Polioviren – sind Ausdauertraining und Schmerzkontrolle weitere wichtige Bausteine einer lebenslangen Therapie.
Wo kann man sich noch über Kinderlähmung informieren?
Auf infektionsschutz.de finden Sie weitere Informationen rund um die Kinderlähmung.
Nähere Informationen zu den empfohlenen Impfungen gegen Polio für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrer Website impfen-info.de.
- Robert Koch-Institut (RKI). RKI-Ratgeber: Poliomyelitis. Aufgerufen am 23.12.2024.
- Robert Koch-Institut (RKI). Schutzimpfung gegen Poliomyelitis: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Aufgerufen am 23.12.2024.
- Robert Koch-Institut (RKI). Stellungnahme der Nationalen Kommission für die Polioeradikation zum Nachweis infektiöser Polioviren (cVDPV2) im Abwasser mehrerer deutscher Städte. Aufgerufen am 10.01.2025.
- Wolbert JG, Higginbotham K. Poliomyelitis. [Updated October 6]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. 2025 Jan-. Aufgerufen am 13.01.2025.
Geprüft durch Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI).
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