Tierversuche

Mithilfe von Tierversuchen werden Krankheiten erforscht und Behandlungsmethoden entwickelt. Zudem wird durch Tierversuche die Sicherheit von Arzneimitteln und Chemikalien erhöht. Die Rahmenbedingungen legt das Tierschutz-Gesetz fest. Laut einer Richtlinie der EU sollen alternative Methoden die Tierversuche möglichst ersetzen.

Auf einen Blick

  • Tierversuche können helfen, biologische Vorgänge und Krankheiten zu verstehen.
  • Mithilfe von Tierversuchen wird geprüft, ob Arzneimittel therapeutisch wirksam sind und ob sie sicher angewendet werden können.
  • In Deutschland werden für Tierversuche jedes Jahr mehr als 2 Millionen Tiere eingesetzt.
  • Versuchstiere werden meist gezielt gezüchtet, damit sie bestimmte Eigenschaften aufweisen.
  • Im Tierschutz-Gesetz ist festgelegt, unter welchen Bedingungen Tierversuche durchgeführt werden dürfen.
  • Dank alternativer Forschungsmethoden kann man in einigen Bereichen auf Tierversuche verzichten.
Eine weiße Maus sitzt auf der Hand einer Person. Die Person trägt blaue Handschuhe.

Was ist ein Versuchstier?

Tiere, die in Tierversuchen eingesetzt werden, bezeichnet man als Versuchstiere. Das Tierschutz-Gesetz legt fest, unter welchen Bedingungen Tierversuche erlaubt sind. Diese Regelungen gelten aber nur für bestimmte Tiere. Tiere, die Schmerzen und Leid empfinden können, sollen durch das Gesetz geschützt werden. Zu diesen Tieren zählen grundsätzlich Wirbeltiere und Kopffüßer. Alle Säugetiere, Vögel, Fische und Reptilien sind Wirbeltiere. Oktopusse gehören dagegen zu den Kopffüßern.

Gut zu wissen: In der Forschung spricht man von einem Versuch, wenn Beobachtungen und Untersuchungen unter festgelegten Bedingungen stattfinden. Die äußeren Bedingungen werden vorab genau festgelegt. Man möchte dadurch verhindern, dass Beobachtungen durch zufällige Ereignisse beeinflusst werden. Beispielsweise wird festgelegt, zu welcher Tageszeit ein Versuch durchgeführt werden soll. Das kann bei Fragestellungen wichtig sein, bei denen die Tagesrhythmik des Stoffwechsels oder des Abwehrsystems eine Rolle spielt.

Werden Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken getötet, bezeichnet man sie ebenfalls als Versuchstiere. Das Töten kann zum Beispiel erforderlich sein, um die Organe eines Tiers mit bestimmten Methoden zu untersuchen.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht jährlich die Anzahl der Tiere, die in Versuchen eingesetzt wurden. Dabei werden auch die Tiere gezählt, die für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet wurden und getötet werden mussten. Das geschieht beispielsweise, wenn ein Tier aus der Zucht nicht die gewünschten Eigenschaften aufweist oder zu alt ist.

Welche Tiere kommen zum Einsatz?

Ein Großteil der Versuchstiere sind Mäuse. Es werden auch Fische, Ratten, Kaninchen und Vögel für Versuche verwendet. Hunde, Katzen und Affen machen dagegen jeweils ungefähr 0,1 Prozent der Versuchstiere aus. Hunde, Katzen und Affen werden im Vergleich zu anderen Tierarten zudem häufiger mehrmals für Versuche eingesetzt (10 bis 60 Prozent der Tiere).

Die meisten Versuchstiere sind Mäuse.

2022 wurden insgesamt mehr als 2,4 Millionen Versuchstiere gezüchtet, in Versuchen eingesetzt oder für Organentnahmen getötet. Im Jahr 2023 kamen nur noch rund 2,1 Millionen Versuchstiere zum Einsatz. Das entspricht einem Rückgang von 13 Prozent.

Gut zu wissen: In Deutschland werden Menschenaffen seit 1991 nicht mehr für wissenschaftliche Versuche verwendet.

Darüber hinaus werden auch andere Tiere für Versuche genutzt, beispielsweise Insekten oder Würmer. Diese Versuche müssen aber nicht genehmigt oder gemeldet werden. Es gibt darum auch keine aussagekräftigen Daten zu Versuchen mit Tieren, die laut Gesetz nicht als Versuchstiere gelten.

Warum müssen Tiere extra für Versuche gezüchtet werden?

Versuchstiere werden zu verschiedenen Zwecken gezüchtet. Bei der Zucht wählt man gezielt Tiere aus, die sich vermehren sollen. So können Nachkommen eines Stamms mit ganz bestimmten, vererbten Eigenschaften entstehen. Mit solchen Tieren kann man zum Beispiel:

  • bestimmte Körperfunktionen untersuchen
  • die Entstehung erblicher Krankheiten aufklären
  • die allgemeine Funktionsweise des Erbguts aufklären

Gut zu wissen: Die Zucht kann für die Tiere aufgrund der vererbten Eigenschaften mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sein. Aus diesem Grund wird die Zucht von Versuchstieren als Tierversuch eingestuft.

So gibt es Mäusestämme mit erblichen Erkrankungen, die auch beim Menschen vorkommen, wie etwa Schwerhörigkeit. Mäuse des sogenannten Doogie-Stamms haben dagegen erblich bedingt ein besonders gutes Gedächtnis. An ihnen können zum Beispiel Grundlagen des Lernens erforscht werden.

Durch gezielte Veränderungen des Erbguts kann man Versuchstiere mit bestimmten Eigenschaften züchten.

Bei anderen Tieren ist wiederum ein begrenzter Abschnitt der Erbinformation inaktiviert oder entfernt, das nennt man „Knock-out“. Durch den Vergleich mit unveränderten Tieren kann dann die Funktion dieser Knock-outs entschlüsselt werden. Für solche Vergleiche werden Mäuse gezüchtet, die sich in ihrem Erbgut kaum voneinander unterscheiden. Der einzige genetische Unterschied liegt dann im Abschnitt des Knock-outs.

Gleichfalls ist es möglich, einen Abschnitt menschlichen Erbguts in die Erbsubstanz der Mäuse einzubauen. Dieses Verfahren nennt man „Knock-in“. Einerseits kann man mithilfe von Knock-ins erforschen, wie bestimmte Erberkrankungen entstehen. Mit diesen Methoden kann man aber auch untersuchen, wie Prozesse im Körper auf Grundlage der Informationen im Erbgut gesteuert werden.

Gezielt herbeigeführte erbliche Veränderungen führen bei den Tieren nicht zwangsläufig zu einer Veranlagung oder dem Ausbruch einer Krankheit. Allerdings sind zum Beispiel Krebsmäuse besonders anfällig für Krebserkrankungen.

Zu welchen Zwecken dürfen Tierversuche gemacht werden?

Tierversuche sind laut Tierschutzgesetz erlaubt, wenn sie der Entwicklung neuer Arzneimittel, medizinischer Anwendungen oder der Grundlagenforschung dienen. Tierversuche dürfen auch durchgeführt werden, um Umweltgefährdungen zu erkennen oder die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln und Chemikalien zu prüfen. 
Europaweit anerkannte Regeln für die Prüfung von Arzneimitteln und Chemikalien werden im Europäischen Arzneibuch gesammelt. Diese Aufgabe übernimmt die Europäische Arzneibuch-Kommission, in der unter anderem auch das BfArM mitarbeitet.

Gut zu wissen: Das Tierschutzgesetz legt fest, welche Tierversuche nur mit behördlicher Genehmigung durchgeführt werden dürfen. Die örtlich zuständige Tierschutzbehörde prüft, ob der geplante Versuch die gesetzlichen Auflagen erfüllt. Bestehen daran Zweifel, kann ein Tierversuch untersagt werden.

Ungefähr drei Viertel der verwendeten Versuchstiere werden in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung eingesetzt. Etwa 15 Prozent der Versuchstiere werden verwendet, um gesetzliche Vorschriften zu erfüllen. Das betrifft zum Beispiel die Prüfung der Unbedenklichkeit bestimmter Produkte. Ein geringer Anteil der Tierversuche wird zu Ausbildungszwecken sowie zur Arterhaltung und für den Umweltschutz durchgeführt.

Für die Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und Kosmetika dürfen dagegen keine Tierversuche gemacht werden. Auch Waffen dürfen nicht mithilfe von Tierversuchen entwickelt oder getestet werden.

Welche Neuerungen gibt es bei den gesetzlichen Regelungen zum Tierschutz?

Im November 2024 wurde auf europäischer Ebene ein wichtiger Meilenstein zur Reduzierung von Tierversuchen erreicht. Die zuständige Kommission hat beschlossen, drei Kapitel im Europäischen Arzneibuch zu streichen, in denen noch Versuche an Tieren vorkamen. 

Dies war zum einen der Test auf fiebererzeugende Verunreinigungen, bei dem an Kaninchen getestet wurde. Zum anderen ein Test auf blutdrucksenkende Substanzen an Katzen, und der Test auf Histamin – ein Stoff, der zu allergischen Reaktionen führen kann. Dieser Test wurde an Meerschweinchen durchgeführt. 

Ab Januar 2026 gibt es die drei Kapitel im Europäischen Arzneibuch nicht mehr. Diese Tierversuche gelten nicht mehr als pharmazeutischer Standard und wurden alle durch alternative Methoden ersetzt.

Wie belastend sind die Versuche für die Tiere?

Das Wohlbefinden von Versuchstieren lässt sich anhand verschiedener Merkmale und Verhaltensweisen einschätzen. Die Mehrheit die Tierversuche werden als geringe Belastung für die Tiere eingestuft. 25 Prozent der Versuche stellen eine mittlere Belastung dar. Wenige Tierversuche sind als schwer belastend eingestuft oder enden für die Tiere mit dem Tod.

Wie wird sichergestellt, dass die Tiere so wenig wie möglich leiden?

Nur entsprechend geschulte Personen dürfen mit Versuchstieren umgehen oder Versuche mit ihnen durchführen. Vor einem Tierversuch legen die Untersucher fest, welche Kriterien verwendet werden, um mögliches Leid der Versuchstiere zu erkennen. Um den Zustand von Mäusen oder Kaninchen einzuschätzen, wird beispielsweise ihr Gesichtsausdruck anhand einer Skala eingeordnet.

Wer mit Versuchstieren arbeitet, muss dafür gesetzlich festgelegte Qualifikationen nachweisen.

Die Tiere werden täglich kontrolliert, um etwa Gewichtsveränderungen oder auffällige Verhaltensweisen zeitnah zu erkennen. Lässt der Zustand des einzelnen Versuchstiers gemäß der festgelegten Kriterien auf Leid schließen, muss der Versuch angepasst werden. Dazu kann man etwa die Intensität oder Dauer der Belastung verringern, oder eine längere Ruhezeit im Anschluss an eine Belastung einplanen.

Was geschieht mit Tieren, die nicht (mehr) benötigt werden?

Werden Versuchstiere in einer Untersuchung nicht mehr benötigt, wird geprüft, ob sie noch für andere Forschungszwecke verwendet werden können. Insbesondere Hunde und Katzen können an Privatpersonen vermittelt werden. Der größte Teil der Versuchstiere wird jedoch getötet.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein schmerzloser Tod für ein Tier besser ist als ein schmerzhaftes oder leidvolles Weiterleben.

  • Die Tötung muss schmerzfrei erfolgen.
  • Für jede Tierart ist genau vorgeschrieben, mit welcher Methode sie getötet werden muss.
  • Die Kadaver werden meist eingeäschert.
  • Unter bestimmten Umständen dürfen Kadaver auch verfüttert werden, zum Beispiel im Zoo.

Welche Fragestellungen werden anhand von Tierversuchen untersucht?

Mit Hilfe von Tierversuchen kann man biologische Vorgänge und Erkrankungen verstehen. Dazu zählen insbesondere komplexe Vorgänge, zum Beispiel:

  • die Wirkung des Immunsystems
  • die Wirkung von Hormonen
  • soziale Verhaltensweisen
  • Lernprozesse

Basierend auf dem Wissen um solche biologischen Vorgänge und die Entstehung von Krankheiten können Arzneimittel entwickelt werden. Die Sicherheit neuer Wirkstoffe kann an Tieren getestet werden, bevor sie am Menschen geprüft werden. Die Testung am Menschen wird dadurch sicherer. Sind die biologischen Vorgänge bereits bekannt, können auf dieser Basis auch alternative Modelle entwickelt werden, um die Anzahl der Tierversuche zu verringern.

Versuche mit lebenden Tieren finden in der Grundlagenforschung, zur Unbedenklichkeitsprüfung und in der angewandten Forschung statt. Für einige Untersuchungen werden die Tiere auch getötet.

Wie haben Tierversuche zur medizinischen Entwicklung beigetragen?

In der Vergangenheit haben Tierversuche etwa geholfen, die Verträglichkeit von Blutgruppen bei Transfusionen zu verstehen.

Auch folgende Meilensteine der Medizingeschichte beruhen maßgeblich auf Erkenntnissen aus Tierversuchen:

  • Herzoperationen
  • die Entdeckung des Medikaments Tamoxifen gegen Brustkrebs
  • Erkenntnisse zum Narkosemittel Propofol
  • die Anwendung von therapeutischen Antikörpern bei Multipler Sklerose

Was ist das 3R-Prinzip?

Basierend auf einer europäischen Richtlinie wurde im Juni 2021 das Tierschutzgesetz angepasst. Dabei ist das Ziel, den Schutz von Versuchstieren zu erhöhen und das 3R-Prinzip stärker zu verankern:

  • Replace: Tierversuche ersetzen
  • Reduce: Anzahl der Versuchstiere verringern
  • Refine: Tierversuche verbessern

Ersetzen

Um Tierversuche zu ersetzen, können für einige Fragestellungen alternative Methoden verwendet werden. Dazu zählen etwa Zellkulturen oder Computersimulationen.

Reduzieren

Bei einem Tierversuch sollten nur genau so viele Tiere eingeplant werden, wie für ein aussagekräftiges Ergebnis voraussichtlich notwendig sind. Tiere mit bestimmten erblichen Eigenschaften werden meist fortlaufend gezüchtet, damit die Zuchtlinie nicht ausstirbt. Nur ein Teil der gezüchteten Tiere wird tatsächlich für Versuche verwendet. Um die Anzahl nicht verwendeter Tiere zu verringern, kann man Embryonen mit den gewünschten Eigenschaften einfrieren (Kryokonservierung). Die Zucht kann auf diese Weise während einer längeren Zeit ohne Versuche pausiert werden. Zu einem späteren Zeitpunkt kann die Zucht mithilfe der Embryonen wieder gestartet werden. Darüber hinaus sind die Verantwortlichen grundsätzlich verpflichtet zu prüfen, ob die nicht verwendbaren Tiere an Privatpersonen oder Forschungseinrichtungen gegeben werden können.

Verbessern

Tierversuche kann man einerseits durch eine Anpassung der Zucht- und Haltungsbedingungen verbessern. Darüber hinaus lassen sich auch die Umgangsweisen verbessern und die Belastung der Tiere so weit wie möglich reduzieren. So kann der Stress beim Einfangen der Tiere beispielsweise gesenkt werden, indem sie mithilfe von Futter in ein Transportbehältnis gelockt werden.

Welche Alternativmethoden gibt es?

In allen Bereichen, die sich mit Alternativmethoden untersuchen lassen, müssen diese auch eingesetzt werden. Das schreibt das deutsche Tierschutzgesetz vor. Der bürokratische Aufwand von Tierversuchen ist zudem meist größer. Darüber hinaus sind Alternativmethoden in der Regel kostengünstiger als Versuche mit Tieren.

Zu den Alternativmethoden zählen:

  • Zellkulturen
  • Organoide: organähnliche Zellverbände, die mithilfe von Stammzellen gezüchtet werden
  • isolierte Organe
  • wirbellose Tiere, Larven und Embryos
  • Simulation einfacher Systeme und Kreisläufe am Computer

Wirbellose Tiere, Larven oder Embryos fallen nicht unter das Tierschutzgesetz. Ethische Bedenken können bei diesen Methoden trotzdem eine Rolle spielen.

Die Vorgänge im Körper sind komplex und lassen sich durch die Alternativmethoden meist nur in Teilen abbilden. Die Organoide besitzen etwa nur einen Teil der Funktionen eines vollständigen Organs. Neue Methoden wie der Multi-Organchip befinden sich noch in der Entwicklung. Ob es eines Tages möglich sein wird ganz ohne Tierversuche auszukommen, ist aber nicht absehbar.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

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